Gegenstand der Spieltheorie ist die Analyse von strategischen Entscheidungssituationen, d.h. von Situationen, in denen ein gutes das Ergebnis von den Entscheidungen mehrerer Akteure abhängt, so dass ein einzelner Akteur das Ergebnis nicht unabhängig von der Wahl der anderen bestimmen kann
Aufgrund der Eigenschaften sind Interessenskonflikte und/oder Koordinationsprobleme charakteristische Eigenschaften von strategischen Entscheidungssituationen. Die Spieltheorie liefert eine Sprache, mit deren Hilfe sich solche Situationen analysieren und auflösen lassen.
Man kann sie nämlich als Spielsituationen beschreiben, bei denen jeder Spieler nach gewissen Regeln strategische Entscheidungen trifft. Viele ökonomische Fragestellungen weisen die oben erwähnten Eigenschaften auf.
Die Spieltheorie bietet ein abstraktes, formales Instrumentarium, das bei der Analyse dieser Fragen verwendet werden kann. Umgekehrt hat gerade in den letzten Jahren die Formulierung ökonomischer Probleme zur Fortentwicklung und Verfeinerung spieltheoretischer Konzepte wesentlich beigetragen. Von vielen Ökonomen wird die Spieltheorie heute als die formale Sprache der ökonomischen Theorie betrachtet.
Unternehmen wie Google, eBay, Uber aber auch FreeNow oder AirBnB entwickeln auf ihren Plattformen nun Spielsituationen, bei denen es darum geht, die Interessenskonflikte und/oder Koordinationsprobleme so zu gestalten, dass alle Akteure und die Plattform selber von der Lösung dieser Probleme profitieren kann.
An einem Beispiel der Entwicklung eines spieltheoretischen Algorithmus von booking.com, den wir in diversen Workshops und Seminaren selber entwickelt haben, soll dieses Vorgehen dargestellt werden.
Analysiert man formal die Ausgangsituation von Booking.com kann diese ungefähr so dargestellt werden.
Die suchenden und buchenden Nutzer wollen Hotels mit guter Bewertung und einem günstigen Übernachtungspreis. Hotels wollen in der Tendenz eher höhere Übernachtungspreise erzielen und viele Buchungen erhalten. Da angenommen werden kann, dass weiter obenstehende Angebote häufiger gebucht werden, als weiter unten positionierte Hotels, wollen Hotels im Ranking auch eher oben gelistet sein. Dafür bieten sie einen Prozentsatz (= „Share pro Übernachtung“ (S)) an, den sie bei einer Buchung über booking.com bereit sind vom Übernachtungspreis (P) abzugeben.
Würde nur der Share pro Buchung alleine als Rankingmaßstab genommen, werden wichtige Faktoren, die eine hohe Bedeutung für die andere Performancegruppe haben, nicht berücksichtigt und damit könnte die Akzeptanz von Angeboten und damit die Buchungsleistung sich verschlechtern und booking.com weniger Umsatz erzielen.
Diese konfliktären Zielsetzungen können aber durch die Berücksichtigung der relevanten Faktoren in einer spieltheoretischen Gestaltung der Mechanik in Balance gebracht werden, so dass booking.com durch diese ausgleichende Gestaltung der Interessen wirtschaftlich profitieren kann.
Integriert man die genannten Zielsetzungen in Form von Faktoren in eine Formel, könnte diese in einer vereinfachten Form so aussehen:
S: Dabei steht S für Abgabe vom Übernachtungspreis an booking.com in %
Q: ist der Qualitätsfaktor des Angebotes, der sich zusammensetzt aus
R = Bewertung des Hotels
A = Anzahl der Bewertungen P
P = Übernachtungspreis
Analysiert man nun die Formel dann steht in dieser:
je geringer der Übernachtungspreis und umso höher die Bewertung und je mehr Bewertungen es für das Hotel gibt, umso höher ist der Qualitätsfaktor.
Ein hoher Qualitätsfaktor wiederum senkt den Share im Vergleich zu anderen Hotelangeboten. So gewinnen Hotels die Auktion und stehen ganz oben, wenn sie diese Vergleiche gegen andere Hotels gewinnen.
Die Formel berücksichtigt, dass Hotels mit guter Bewertung und günstigen Preisen weniger bieten müssen als Hotels mit hohen Preisen und weniger guter Bewertung. Die Formel integriert zudem einen sogenannten Trade off, dies heißt, dass Fälle, in denen ein Hotel günstiger ist, aber schlechter bewertet wird, diese Differenzen ebenfalls in den Share (S) einkalkuliert werden.
Anwendungsbeispiel
Sehen wir uns ein Beispiel an, was ein konkretes Ergebnis wäre.
Wir betrachten Hotel 1 und berechnen, was Hotel 2 bieten müsste, um die Auktion zu gewinnen und ganz oben in der Suchergebnisliste gerankt zu werden.
Hotel 2 würde die Auktion gegen Hotel 1 gewinnen, wenn es etwas mehr als 6,66% Share vom Hotelpreis P=100 bieten würde. Hotel 2 hat einen Q von 80,1, Hotel 1 lediglich einen Q von 53,3. Da Hotel 1 einen Share von 10% auf P = 120 anbietet, muss Hotel1 weniger S bieten.
Auf den ersten Blick ist das ökonomisch nachteilig für booking.com, weil es im Falle einer Buchung lediglich 6,67 % vom Hotelpreis (P=100 EUR) von Hotel 2 bei einer Buchung bekäme. Würde Hotel 1 hingegen die Buchung erhalten, dann würde booking.com 12 EUR Share bekommen. Allerdings geht man nnun in diesen Auktionsmodellen noch einen Schritt weiter und würde zusätzlich im Falle einer Buchung des Hotels 1, von diesem Hotel 1 nun auch nicht 10% verlangen, sondern nur das was Hotel 2 bietet plus einen kleinen Aufschlag (das nennt man daher auch Secondbest Preis Auktionen).
Bietet also Hotel 2 6,7% Share an und Hotel 1 bietet 10% Share an, dann rechnet Booking.com dennoch nur 6,7% (plus einen kleinen Aufschlag) ab. Also auch dies wirkt erst einmal nachteilig für booking.com.
Aber diese Strategie zahlt wiederum positiv auf das Geschäftsmodell von booking.com ein, weil sie so zum Beispiel als Preis- und Qualitätsführer auf Seiten der Performancegruppe der Hotelsucher und -bucher wahrgenommen werden. Dadurch verändert sich die Anzahl der Buchungen auf die einzelnen Angebote positiv und damit auch der Umsatz im Ganzen. Und da Hotels nicht „bestraft“ werden, wenn sie höhere Shares als Wettbewerber anbieten, steigern sich im Zeitablauf die Hotels auch wieder in den Shares nach oben.
Langfristig kann dies zu erheblichen Vorteilen für das Business Modell führen, weil immer mehr Hotels günstige Preise anbieten und zugleich interessiert sind gute und viele Bewertungen auf booking.com zu erhalten. So entsteht ein positiver Loop, der das Modell von booking.com in eine positive Aufwärtsspirale führen kann.
Derartige Modelle könne praktisch für alle Online basierten Geschäftsmodelle angeboten und entwickelt werden.
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